Um Ärzt_innen und Therapeut_innen den Weg zur sensiblen Behandlung von queeren und trans Personen zu erleichtern, werden hier ein paar Themen aufgegriffen und Handlungsempfehlungen gegeben.
Inhalt:
1. Benutze ich gendergerechte und sensible Sprache in Wort und Schrift?
2. Präsentiere ich mich als Ally (Verbündete*r) der LGBTQ-Community?
3. Wie ist meine Praxis gestaltet?
4. Bilde ich mich und mein Praxisteam (falls vorhanden) regelmäßig gleichermaßen sensibilisierend gegenüber Interessen von LGBTQIA*- und anderen Personengruppen aus?
5. Wie stelle ich Praxispersonal ein? Achte ich darauf, ein diverses Team aufzubauen?
6. Setze ich mich für die politischen Interessen der LGTBQIA*- und anderen Communities ein?
1. Benutze ich gendergerechte und sensible Sprache in Wort und Schrift?
Verwende ich die gegenderte Form “Patient_innen”, “Patient*innen” oder “Patientinnen und Patienten” auf meiner Website? Versuche ich auch in der gesprochenen Form so gut es geht alle Geschlechter abzubilden? Sind meine Fragebögen, Formulare und Infomaterialien gegendert? Verwende ich geschlechtersensible Sprache?
Warum ist das wichtig?
Nur die männliche Form (“generisches Maskulinum”) zu verwenden ist immer noch die gängige Art in unserem Sprachgebrauch. Damit werden aber > 50 % der Bevölkerung ausgeklammert und nicht aktiv mit einbezogen. Studien belegen, dass wesentlich stärkere männliche Bilder im Kopf erzeugt werden, wenn nur das Maskulinum verwendet wird. Werden sowohl weibliche als auch männliche Form verwendet, bildet das viel mehr die Realität der Gesellschaft ab. Sprache schafft Realität, daher ist es wichtig allen Menschen auch den Platz in unserer Sprache einzuräumen.
Wie funktioniert gendern:
Gegendert werden kann in der Schrift auf verschiedene Arten:
- Doppelnennung (Patientinnen und Patienten)
- Gender-Stern (Patient*innen)
- Gender-Gap (Patient_innen)
- Doppelpunkt (Patient:innen)
- neutrale Begriffe (Studierende statt Studenten)
Beim Sprechen kann ebenfalls die Doppelnennung verwendet werden. Außerdem kann eine kurze Pause beim Erreichen des Gender-Sterns/Gender-Gaps gemacht werden (also Patient – Pause – innen). Das ist in der deutschen Sprache schon bei vielen anderen Wörtern sehr geläufig und nennt sich Glottisschlag. So wird ja auch beispielsweise beim Wort Spiegelei eine Pause zwischen Spiegel und Ei gemacht. Beim Gendern funktioniert es genau gleich. Gar nicht schwer also!
Fest steht: Gendern ist Übungssache. So ungewohnt es am Anfang sein mag, schon nach kurzer Zeit fühlt es sich sehr normal an und schafft einen viel bewussteren Umgang mit Sprache.
Hier sind noch gute Videos der AIDS-Hilfe Deutschland zur sensiblen Behandlung in Praxen zu finden.
2. Präsentiere ich mich als Ally (Verbündete*r) der LGBTQ-Community?
Vermerke ich auf meiner Homepage, dass Menschen aller Geschlechtsidentäten und Sexualitäten willkommen sind? Habe ich vielleicht einen Pride-Sticker o.ä. an der Praxistüre? Lege ich LGBTQ-Infomaterialien aus?
Warum ist das wichtig?
Für Angehörige der LGBTQ-Community ist es ein schönes Zeichen, wenn Solidarität mit ihnen bekundet wird. Das kann eben durch explizite Nennung und durch Symbole wie Sticker, Regenbogenfahnen etc. gezeigt werden. Zusätzlich bringt mir das als Patient mehr Sicherheit, dass ich mich bei Ihnen so zeigen kann wie ich bin und keine Befürchtungen haben muss, mich zu outen. Gerade für trans Personen, stellt nahezu jeder Ärzt*innenbesuch ein Outing dar und ist damit jedes Mal eine Hürde. Diese Barriere kann durch proaktives Kommunizieren der Solidarität, eben z.B. durch Sticker etc., abgebaut werden.
3. Wie ist meine Praxis gestaltet? Gibt es genderneutrale Toiletten, wie sind die Inhalte auf meiner Website und anderen Online-Kanälen präsentiert?
Ist meine Praxis ein Ort an dem sich alle wohlfühlen können? Biete ich zum Beispiel geschlechtsneutrale Toiletten? Achte ich als gynäkologische Praxis darauf, nicht nur cis Frauen* anzusprechen?
cis-trans-was?
Trans Personen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Das kann bedeuten, dass sich Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, als männlich oder auch als nicht-binär fühlen.
Cis Personen sind alle Personen, die sich mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.
Nicht-binär ist eine Geschlechtsidentät und kann benutzt werden, wenn man sich weder mit dem männlichen noch weiblichen Geschlecht identifiziert. Daneben existieren noch viele weitere Geschlechtsidentitäten (Agender, genderfluid, genderqueer, …). Mit welchem Geschlecht man sich identifiziert, ist immer eine Eigendefinition.
4. Bilde ich mich und mein Praxisteam (falls vorhanden) regelmäßig gleichermaßen sensibilisierend gegenüber Interessen von LGBTQIA*- und anderen Personengruppen aus?
- fachlich-medizinisch
Nehme ich an Fachveranstaltungen teil, um mich in Gesundheitsbereichen, welche für die LGBTQIA*-Community besonders relevant wären, weiterzubilden? Online gibt es eine große Bandbreite an Veranstaltungen, vor allem kritische Asta-Gruppen (D) oder die Österreichischen Hochschüler*innenschaften der Medunis (Ö) werben auf den sozialen Medien zu Veranstaltungen zu relevanten Themen bspw. “Gendern in der Medizin”
- persönlicher Umgang
Beschäftige ich mich mit dem Thema in meinem privaten Umfeld? Wie spreche ich in meinem eigenen Umfeld über die Interessen der LGBTQIA*-Community? Gehe ich auf die Mikroaggressionen anderer Menschen ein? Greife ich ein, wenn ich Diskriminierung anderer Menschen vor mir sehe? Spreche ich mit Personen aus der Community, lese ich Bücher, die die Thematik behandeln und habe mich kritisch mit meinem eigenen Verhalten auseinander gesetzt? Vor allem in großen Städten gibt es immer mehr Kurse oder Veranstaltungen zum sensibilisierten Umgang mit Menschen.
- für Psychotherapeut_innen
Habe ich mich in Richtung sexueller und/oder geschlechtlicher Identität oder zum*zur Sexualtherapeut*in fortgebildet?
5. Wie stelle ich Praxispersonal ein? Achte ich darauf, ein diverses Team aufzubauen?
Fragen, die Du dir beim erstellen von Stellenausschreibungen und für die Präsentation auf der Website stellen solltest:
- Sind meine Stellenausschreibungen merkmalsneutral (“junges Team”, “Deutsch als Muttersprache”, “agiles Team” usw.)? Gewisse Beschreibungen können bestimmte Menschengruppen davon abhalten, überhaupt eine Bewerbung abzugeben, weil sie sich nicht in der beschriebenen Gruppe sehen.
- Achte ich in der Stellenbeschreibung auf eine diverse und inkludierende Beschreibung? Gibt es Berufsbezeichnungen, die genderneutral verwenden werden können? Weise ich auf die mittlerweile sehr verbreitete Variante von (m/w/d) hin? Achte ich darauf, dass sich keine Personengruppe durch meine Stellenausschreibung ausgeschlossen fühlt?
- Wünsche ich, dass potenzielle Bewerber*innen auch sich bereits selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben? Frage ich dies in einem Bewerbungsgespräch ab? Wie bereite ich ein Bewerbungsgespräch vor?
- Erkenne ich bei mir unterbewusste Mikroaggressionen gegenüber Personen of Color oder vermeintlichen Mitgliedern der LGBTQIA*-Community im Einstellungsprozess? Erkenne ich selbst Vorurteile, die ich
- Wie präsentiere ich mich selbst und ggf. das Praxisteam auf der Website? Mehr Tipps hier
6. Setze ich mich für die politischen Interessen der LGTBQIA*- und anderen Communities ein?
Zum einen kann ich an Veranstaltungen teilnehmen, die sich um die LGBTQIA*-Community kümmern (CSD/Pride Parade mit politischen Diskussionen, Online-Veranstaltungen von großen Organisationen wie dem LSVD/der HOSI usw.). Habe ich Ressourcen, um eigene Veranstaltungen zu organisieren? Kann ich regelmäßig an eine Organisation spenden, um deren Arbeit innerhalb der LGTBQIA*-Community zu unterstützen?
Darüber hinaus kann ich mich dafür einsetzen, dass Initiativen oder Gesetzesänderungen zugunsten der LGTBQIA*-Community durchgeführt werden (Bspw. Transsexuellengesetz, Adoptionsrecht, Erbrecht, Vereinfachung von Blutspenden…)